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Vortrag 2007 Budapest

Karin und Kurt Richter

„Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance nach Dr. Felicitas Goodman“ in der Psychotherapie und Beratung"

Keywords (Schlagwörter). Rituelle Körperhaltung, ekstatische/psychotherapeutische Trance, Neoschamanismus, Gestaltpsychotherapie, Heilung, Spiritualität

In den letzten Jahrzehnten kam es immer wieder zu Versuchen, schamanische Heilrituale aus ihren kulturellen Kontexten zu lösen, um dieses Wissen auch anderen Kulturen zugänglich machen zu können. Ein erster und sehr erfolgreicher Versuch war der sogen. Core-Schamanismus von M. Harner (1994). Diese neoschamanischen Ansätze haben sich zwar von den strengen ethnologischen Forschung notwendigerweise entfernt, sind aber, wenn man von einigen esoterischen Blüten absieht, ein Gewinn für die Entwicklung von ganzheitlichen Heilverfahren im Westen. Eine Reihe schamanischer Kulturen mussten auf grund von politischem Terror ihr Wissen verlernen. Dazu gehörten die Indianer Nordamerikas, Sibirische Völker aber im gewissen Sinne auch das vom Hexenwahn heimgesuchte mittelalterliche Europa. Heute kommt es in diesen Gesellschaften zu  Versuchen der Rekonstruktion und Neuschöpfung des (teilweise) verlorengegangenen Heilwissens. Diese Rekonstruktionen sind interessante Versuche der Selbstheilung von Völkern.

Ein origineller  Versuch der Rekonstruktion alten schamanischen Wissens, der allerdings verschiedenen Kulturen und Zeitepochen einbezieht, stellt  für uns das Konzept der „Rituellen Körperhaltungen und ekstatischer Trance“ von Felicitas Goodman dar.

Die westliche Hinwendung zum Schamanismus scheint auf einen Mangel hinzuweisen. Es ist der Mangel an spirituellen Erfahrungen und vertrauenserweckenden ganzheitlichen Heilverfahren. Unsere westliche Medizin ist einseitig auf die Metaerzählung Naturwissenschaften ausgerichtet. Sie erreicht viele menschliche Phänomene des Leidens nicht oder nur mit erheblichen Nebenwirkungen. Diese Einseitigkeit der Ausrichtung gilt auch für das verbreitete therapeutische Denken in Mitteleuropa.

Das Referat handelt von unseren Versuchen, altes schamanischen Wissen und psychotherapeutischen Methoden des 21. Jahrhunderts zusammenzuführen. Hier geht es also noch neben dem Neoschamanismus und Rekonstruktionsschamanismus um eine dritte Perspektive, die der Integration.

Wir werden in diesen Ausführungen allerdings das weite Feld der Integrationsmöglichkeiten eingrenzen auf den Schwerpunkt des Zusammenwirkens von

Rituellen Körperhaltungen und ekstatischer Trance und

westlichen Psychotherapieformen, vor allem Gestalttherapie, Hypno- u. systemische Therapie sowie Körperarbeit.

Wir werden

1.  den Ansatz der rituellen Körperhaltungen und ihre Möglichkeiten des      Praktizierens darlegen

2.  das Verbindende und Trennende zwischen alten und neuen Heilverfahren      herausarbeiten, z.B. Einsatzformen der Trance

3.  die Integration von Tranceritualen und  Gestalt- bzw. Hypnotherapie      herstellen.
 

1. Zur Geschichte und Wirkungsweise ritueller Körperhaltungen     und ekstatischer Trance

Der Begriff der rituellen Körperhaltungen ist in den späten 70er Jahren durch Felicitas Goodman ( 1972, 1989, 1991,1992) in den ethnomedizinischen Diskurs und die neurologische Fachdiskussion eingeführt worden.

In ihren Experimenten entdeckte Frau Goodman, das man die Ekstase  durch eine einfache Induktionstechnik, dem Rasseln auch unabhängig von einem religiösen System  hervorrufen kann. Statt zu Klatschen und zu Stampfen wie die Pfingstgemeindler, die sie zuvor untersucht hatte,  rasselte sie mit  einem Rhythmus von ca. 210 Schlägen pro Minute. Die Studenten bekamen Herzklopfen, zitterten, ihnen wurde heiß, sie hatten Lichterlebnisse, sie waren "nicht ganz da“. Sie hatten jedoch keine visionären Erlebnisse, wie sie es von LSD- Erfahrungen kannten und auch jetzt erhofften. Bei ihren weiteren Recherchen stieß Felicitas Goodman. auf eine psychologische Untersuchung (Emerson, V.F., 1976) die davon berichtete, wie bei Yoga und Meditation, je nach der eingenommenen Körperhaltung, verbunden mit einem bestimmten Atemrhythmus  andere Glaubensinhalte entwickelt wurden. Beim Durchblättern eines Buches aus der Jäger- und Sammlerkultur  sprangen ihr in den Abbildungen von Höhlenzeichnungen Körperhaltungen ins Auge, die offensichtlich in einem rituellen Kontext standen.

Felicitas Goodmans  kreative Leistung bestand  darin, dass sie einen Zusammenhang zwischen rituellen Körperhaltungen, Muskelspannungen und dem 210er Rhythmus herstellte. Nun kam es in Trance über die genannten Gefühlseindrücke hinaus zu Visionen. Und dies ganz ohne Drogenmitwirkung! Sie nannte ihre Entdeckung: „Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance. Nach ihrer Emeritierung gründete sie  zur weiteren Erforschung der rituellen Körperhaltungen 1979 das Cuyamungue Institut (in der Nähe von Santa Fe, Neumexiko). Inzwischen wurden insgesamt mehr als 80 rituelle Körperhaltungen gefunden, erforscht und in ihrer Wirksamkeit erprobt. Die Haltungen stammen aus verschiedenen Kulturen und ganz unterschiedlichen Zeiten ( bis 30 tausend Jahre zurück).

Frau Goodman hat ihre Forschungsergebnisse in zahlreichen Publikationen veröffentlicht.

Sie starb im März 2005.
 

2. Was geschieht in der ekstatischen Trance?

Biologische Aspekte

In der ekstatischen Trance senkt sich der Blutdruck, der Puls erhöht sich. Betaendorphine werden ausgeschüttet, die das Schmerzempfinden senken und Glücksgefühle auslösen. Gleichzeitig werden Stresshormone, wie Adrenalin, Noradrealin und Cortison abgebaut. Hört der Rhythmus auf, stoppt zwar die Ausschüttung aber die produzierten Stoffe zirkulieren noch eine Weile im Blut.

Spezifisches Erkennungszeichen der ekstatischen Trance ist der Zustand einer sehr entspannten gleichzeitig aber hyperwachen Wahrnehmungsbereitschaft. Professor Giselher Guttmann (1990) nennt dies Phänomen eine „entspannte Hochspannung“ ("paradoxial arousal“).

Er maß die Gehirnelektrizität mit einem besonderen EEG- Gerät, in dem die Werte des sogen. DC- Potenzial – eine Art Gleichspannungspotenzial  festgestellt werden. Dieses gibt Auskunft über die Erregbarkeit und Wachheit bestimmter Großhirnrindenzonen. Im Normalzustand werden ca. 60 Mikrovolt gemessen, beim Lernen oder konzentrierter Aufmerksamkeit erhöht sich der Wert auf 250. In der ekstatischen Trance erhöht sich dieser Wert auf 2000! Mikrovolt. Vergleichende Messungen in Meditations- und Hypnosezuständen zeigten dagegen keine auffälligen Veränderungen in Bezug auf den normalen Mikrovoltbereich. Er entdeckte auch, dass jede muskuläre Anspannung während der eingenommenen Körperhaltung zu einer Erhöhung des DC Potentials führt und jede muskuläre Lockerung dieses wieder senkt. Daraus kann man schließen,  das die Skelettmuskelspannung und ihre Änderungen wie ein Steuerungssystem des Bewusstseins im bezug auf das Erleben in der Trance wirken. Im Kontrast dazu stehen parallel auftretende langsame Theta- und Deltawellen, wie wir sie sonst nur im Tiefschlaf haben.

Diese Paradoxie wurde in den Untersuchungsergebnissen von Fachner und Rittner (2004) bestätigt als sie die ekstatische Trance mit Hilfe eines 28-Kanal EEG Brainmappers maßen.

Sie stellten als charakteristisch für diesen speziellen Trancezustand einen auffälligen Anstieg im Beta-Wellenbereich mit gleichzeitiger Zunahme von Theta- und Deltawellen fest. Beta Wellen (16 –30 Herz) sind ein Zeichen für gesteigerte Wachheit, die Delta-Wellen (1- 3 Hertz) zeigen einen extrem tiefen Entspannungszustand und die Theta- Wellen sind ein Zeichen für bildhaftes Erleben.

Phänomenologische Aspekte

Erfahren wird eine andere Wirklichkeit, bestehend aus körperlichen und gefühlsmäßigen Veränderungen und Visionen.

Bei den Visionen erlebt man die Kosmologie der Jäger- und Sammlerzeit. Man erfährt Verbindungen und Einssein mit der Natur, reist durch das Unbewusste, die Archetypen, weiter bis in das Reich der Grundbausteine des Lebens, sieht z.B. geometrische Muster und ihre Vernetzungen (J. Narby, 2001) .

Über die drei Ebenen der Unter-, Mittel- und Oberwelt (Begriffe aus dem Schamanischen) trifft man die entsprechenden geistigen Bewohner z.B. Tiergeister, Ahnen, Schutzhelfer und Seelenführer. Man hört Stimmen, Klänge und Chöre, fällt oder fliegt. Man hat Erlebnisse der Körperveränderung, Verwandlung oder totalen Auflösung. Man erfährt „alles ist lebendig und ich bin ein Teil davon“. Diese oft als  beglückend erfahrenen Tranceerlebnisse werden häufig als echte religiöse Erfahrungen empfunden.  Mystiker beschrieben sie deshalb auch als die „Süße der Ekstase“. Neben diesem spirituellen Aspekt gibt das Tranceerleben auch Anstöße zur autonomen Regulierung der physischen und psychischen Gesundheit bzw. Heilung.

Was bewirken die Körperhaltungen?

Von den über 80 erforschten Körperhaltungen  wurden 65 veröffentlicht (Goodman,F. 1989, 1992, Nauwald, N., Goodman, F. 2004, Gore, B. 1996).

Jedes mal wenn man eine rituelle Haltung einnimmt, die entsprechenden Muskeln anspannt und in die ekstatische Trance geht hat man andere Erlebnisse. Die Forschungsarbeit an den Instituten haben aber auch gezeigt, dass erfahrene Trance- Reisende zusätzlich zu den jeweils neuen Erlebnissen gewisse Erfahrungsschwerpunkte einzelnen Körperhaltungen zuordnen können.

So gibt es Haltungen zu den Schwerpunkten:

-  Energetisieren,  Schützen, Gelassenheit, Loslassen, Erneuerung,

-  Verstärkung der körperlichen Heilprozesse.

-  Verbindung zu Verstorben

Man begibt sich selbst ins Totenreich oder man reist gezielt in die Unter- oder Oberwelt zu den entsprechenden geistigen Kräften.

-  Wieder andere Haltungen fokussieren auf die eigene Kraft und Wandlung,     auf Erdung, Verwurzelung oder Sinnlichkeit und Leichtigkeit.

Man weiß wenig darüber, wie  die rituellen Körperhaltungen in den damaligen Kulturen eingesetzt wurden. Aber die anthropologische Erforschung der dazugehörigen Gesellschaft lässt in einzelnen Fällen eine Idee von ihrem Einsatzbereich zu. Daraus kann man manchmal auch auf ihre Wirkungsmöglichkeiten schließen.
 

3. Beispiele für rituelle Körperhaltungen

Beispiel: Die rituelle Körperhaltung der Tanit. (Richter, K., 2002)

Tanit war Göttin der Karthager auf Ibiza. Sie diente als Muttergöttin, Schutzgöttin und Göttin der Fruchtbarkeit. Die Figur, die als Grundlage für unsere ekstatische Körperhaltung diente ist eine Statuette der Göttin, die ca. 400 Jahre vor Christus hergestellt wurde. Die Erfahrungsschwerpunkte in der ekstatischen Trance mit dieser Haltung sind:

Verwurzelung mit der Erde

Weibliche Energiebereiche (z.B. Fruchtbarkeit)

Heilanstöße, z.B. Hitzeempfindungen, die auch nach der Trance heilend nachwirken.

Lebensfreude.

Die Eigenschaften der Mutter- Schutz und Fruchtbarkeitsgöttin tauchen also partiell im Tranceerleben wieder auf. Meist werden die Haltungen in Rahmen von Gruppenveranstaltungen (Workshops) eingesetzt, die dem Erfahren der anderen Wirklichkeit dienen, dem spirituellen Erleben, der Verbindung mit der Natur, den Schöpfungsrhythmen aber  auch  Hilfe bei Lebensproblemen ermöglichen. Wir setzen sie indikationsspezifisch in der Psychotherapie ein.

Weitere Beispiele (Overhead?): z.B. Bärenhaltung
 

4. Anwendungsmöglichkeiten ekstatischer Trance und ritueller     Körperhaltungen

Da die meisten rituellen Haltungen aus vorchristlichen Zeiten stammen und uns nur in Form von Skulpturen oder Abbildungen überliefert sind, wissen wir auch wenig über die spirituellen Arbeitsweisen.

Für die schamanischen Rituale archaischer Kulturen hingegen gibt es noch beobachtbare Vorbilder, z.B. aus Nepal, bei den Shipibos im peruanischen Dschungel usw. Für die rituellen Haltungen in Kombination mit ekstatischer Trance gibt es das nicht. Hier sind wir auf  Rekonstruktionen angewiesen (Richter, Karin, 2002). Dies hat zur Konsequenz, dass die Rituale, mit denen wir in die Haltungen und Trance einführen Neuentwicklungen sind, eine Kombination aus bekannten Ritualen und neuzeitlichen Bräuchen. Das Kriterium für die Authentizität ist die Stimmigkeit im heutigen Setting.

Das Konzept der „Rituelle Körperhaltungen und ekstatischer Trance“ wird  in der Regel in Form von Workshops vermittelt. Auf therapeutische Parameter wird dabei selten Rücksicht genommen. Es ist also zunächst ein rein „rekonstruktives (s.o.) und kein integratives Verfahren“.
 

5. Welche Transferschritte sind notwendig, damit "Westler" mit     rituellen Körperhaltungen Erfahrungen machen können?

1.  Übersetzen von archaischen Ritualen in Ausdrucksformen unserer Kultur.      Notwendigerweise kommt es dabei zu Vereinfachungen des oft sehr      komplexen schamanischen Kosmos und der dazugehörigen rituellen      Vorgehensweise. (z.B. Anrufung der 4 Himmelsrichtungen)

2.  Einbeziehung von kulturellen Bräuchen und Glaubensystemen aus      unserer Kultur, soweit sie im Volksbrauch oder Kirchen noch im      Bewusstsein sind, z.B. Sonnenwendritual. Aber dieser Transfer hat noch      eine dritte Stufe, und zwar den der individuell abgestimmten Einführung      und Durchführung der meist zunächst befremdlich wirkenden      Arbeitsform, um sie zu einer vertrauten zu machen

3.  Einführung in die Arbeit mit „rituellen Körperhaltungen und ekstatische      Trance

Einen kulturellen Kontext herstellen

Erklärungen geben, die auch für Menschen in unserer Kultur glaubhaft  sind, z.B. Verweis auf hirnphysiologische Untersuchungen (westliche Mythologie).

Auf das Bekannte im Fremden hinweisen, dazu gehört:

-  Erwähnen von Träumen. Hier der Verweis darauf, dass alle Menschen    schon Erfahrungen mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen    haben.

-  Weitere Hinweise auf das Vertraute im Fremden durch Beispiele wo     andere Bewusstseinszustände im Alltag auftreten.

Die Glaubwürdigkeit des Psychotherapeuten/Ritualleiters festigen:

-  Ein authentisches also nicht nur technische Vorgehen des Therapeuten.

-  Eine gute menschliche Beziehung, die tragfähig ist.

Methodische Zwischenschritte einlegen:

-  Einhören in das Schlagen des Beats durch Trommel oder Rassel

-  Es hat sich als nützlich gezeigt mit einer liegenden rituellen Körperhaltung    anzufangen (viele Patienten kennen Entspannungsübungen in liegender    Haltung).
 

6. Erweiterung des Ansatzes von F. Goodman durch     neoschamanische Methoden von Michael Harner

Der Anthropologe M. Harner entwickelte zwischen 1956 und 1973 nach ausgiebigen Feldforschungen bei nord- und südamerikanischen Indianerstämmen eine komplexitätsreduzierte, aus mehreren Kulturen zusammengetragene Version, die er Core-Schamanismus nannte. Auch er benutzt die Tranceinduktion mit Trommel- oder Rasselrhythmus. Jede Trancereise beginnt mit einem ritualisierten Ausgangspunkt, dem sogen. Kraftort. Zur Unterstützung und Absicherung der Reisen wird ein innerer Begleiter (Krafttier oder Geistführer) mitgenommen. Es wird immer mit einer zuvor festgelegten Absicht gereist. Es hat sich in der Erfahrung gezeigt, das es sinnvoll ist, das der Patient als Sicherheitsanker den Kraftort, den inneren Begleiter und die (steuernde) Absicht mit auf die Trancereise nimmt.
 

7. Nach dem Einführen kommt das Durchführen. Die einzelnen     Schritte der Ritualarbeit:

1. Legen von Sicherheitsanker für die Trance

Der Ritualteilnehmer (Patient) sollte für sich in der Vorstellung einen „inneren Ort“ finden, den er von nun an immer als Ausgangsort für seine Trancereisen benutzen kann.

Zusätzlich soll er einen tierischen Reisebegleiter für Schutz und Hilfe imaginieren. (Nebenbei: In den Folgestunden wird auch ein Geistführer als weiterer Ratgeber und Beschützer gesucht).

2. Gemeinsame Suche nach der Absicht der Trancereise und der damit     verbundenen Fragestellung.

3. Auswählen, Erklären und Zeigen der Körperhaltung

4. Gang zur Toilette

5. Reinigung mit Räucherwerk: des Raumes, des Patienten, des Ritualleiters     und der Trommel und Rassel.

6. Ritual der Anrufung :

Einladen der kosmischen Kräfte mit Rassel zur Unterstützung der Trance.

7. Spezielles Räucherwerk für die Trancereise wurde vom Ritualleiter     angezündet

8. Einnahme der Körperhaltung

9. zur Vorbereitung noch einige tiefe Atemzüge.

10. Trommeln

Fünfzehn Minuten Trommeln für die Trancereise.

11. Rückkehrphase

Nach dem Ausklingen der Trommel sollte der Patient in seinem eigenen Tempo wieder die Welten wechseln und damit wieder in sein Alltagsbewusstsein zurückkehren, sich für das Erlebte  bedanken und  verabschieden.

12. Sichern und vergegenwärtigen der Tranceerlebnisse

Ähnlich wie nach dem Träumen werden die Inhalte der Trance leicht vergessen. Deshalb wird der Ritualteilnehmer gebeten seine Erlebnisse aufzuschreiben.

13. In die Welt bringen

Durch das Mitteilen bekommen die inneren Erlebnisse eine noch größere Bedeutsamkeit. Dabei werden oft die auf der Reise im anderen Bewusstseinszustand erlebten Gefühle auch dem Alltagsbewusstsein zugänglich und dadurch handhabbar
 

8. Trance  ist  nicht  gleich Trance:  Von den Gemeinsamkeiten      und Unterschieden therapeutischen und schamanischen      Vorgehens

Bei der therapeutischen Trance handelt es sich um ein Hineingleiten in einen innenorientierten, mühelosen und imaginativen Stil der Erlebnisverarbeitung. Dieser Zustand dient sowohl in der Gestalt- als auch Hypnotherapie dazu, Lebensweisen- und Muster, Selbstkonzeptelemente, fixierte Einstellungen und Haltungen zu identifizieren und Wege zu finden, sie zu modifizieren. Trance ist nun ein Weg, um mit den unbewussten Prozessen Kontakt aufzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Dabei sind allerdings Trance (psychotherapeutisch) und Trance (ekstatisch bzw. schamanisch) nicht identisch.

Trance wie wir sie in der Gestalt- und Hypnotherapie antreffen bewirkt nicht die Paradoxie der Gleichzeitigkeit von Wachheit und Entspannung, wie in der ekstatischen Trance.

Die mit ekstatischer Haltung verbundene Trance transzendiert – im Gegensatz zur psychotherapeutischen Trance - auch den unbewussten seelischen Innenraum. Sie bezieht von vornherein nicht nur unterschiedliche Bewusstseinsebenen sondern alle Seins -Welten mit ein.

Während in der psychotherapeutischen Trance die Inhalte weitgehend symbolisch aufgefasst werden (z.B. als Botschaften aus dem Unbewussten) so werden in der ekstatischen wie auch in anderen schamanischen Trancezuständen die Erscheinungen nicht interpretiert.

Das Unbewusste bzw. Unwillkürliche wird dabei mehr oder weniger aufgefasst als ein großer Speicher phylogenetischer (stammesgeschichtlich) und autogenetischer Lernerfahrungen, die erheblichen Einfluss ausüben auf die psychischen und körperlichen Vorgänge.

Unbewusste Vorgänge entstehen oft ohne Zutun von bewussten Bemühungen und zeigen sich auch resistent gegenüber Steuerungsversuchen des bewussten Ich.

Inhalte und Zielrichtung der  Arbeit mit rituellen Körperhaltungen ordnen  wir eher der schamanischen Vorstellungswelt zu. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Vorgehensweise. Sie unterscheidet sich grundlegend von dem methodischen Vorgehen der Psychotherapie. Hierzu einige Stichworte:

Stichwort: Bewusstseinsräume

In der Gestalttherapie arbeiten wir mit einem alternativen Erlebnisraum  (etwas anders erleben, sehen, Perspektivwechsel), bei den rituellen Körperhaltungen mit Nicht-alltäglichen.Bewusstseinformen z.B. Reisen in die Unter- oder Oberwelt

Stichwort: Orte der Heilung

In der Psychotherapie ist das individuelle Selbst der Ort der Heilung, Er wird als Innenraum erlebt..

In der ekstatischen und schamanischen Trance ist der Ort der Heilung der Innenraum und der spirituelle Raum. Der spirituelle Raum ist überall, alles ist lebendig und mit verschiedenen Energien besetzt. Alles ist miteinander verbunden oder miteinander verknüpfbar. Die Grenzen des individuellen Selbst können in der Trance aufgehoben werden. Es kann andere Orte aufsuchen, viele Gestalten annehmen; sich mit anderem Lebendigen verbinden um so mit heilenden Energien in Kontakt zu kommen.

Also: Das therapeutische Selbst-Konzept arbeitet in der Regel innerhalb der Grenzen des individuellen Selbst –  Der Schamane bewegt sich im großen Seins-Raum um Heilungskräfte für seinen Patienten zu aktivieren.

Stichwort: Begleitung/ Rollenunterschiede

Der Therapeut ist ein Begleiter auf der Reise nach Innen, er unterstützt bzw. regt die Selbstheilungskräfte des Patienten an. Die Hauptaktivität liegt beim Patienten.

Der Schamane reist für seinen  Patienten oder auch mit ihm in  andere Welten. Er wird für seinen Patienten aktiv, vermittelt externe Heilkräfte z.B. Geister, nimmt Drogen zu diagnostischen Zwecken usw.

Hier unterscheidet sich allerdings unsere Arbeit vom schamanischen Vorgehen. Wir befähigen unsere Patienten dazu, selbst in Trance zu gehen, in die anderen Welten zu reisen um sich selbst gezielt Erkenntnisse und Heilanstöße  zu holen.

Stichwort: Heilung

Psychotherapie ist ein Prozess der Selbst-Heilung (Innenorganisation). Die Heilungskräfte müssen im Inneren aktiviert werden.  Die schamanische  Heilung ist ein sozialer,  ökologischer und spiritueller Akt (mit Hilfe z.B. von Geistern). Alles wird einbezogen. Die Heilungskräfte kommen deshalb zu einem großen Teil von Außen. Auch in der ekstatischen Trance wird das so erlebt.

Stichwort: Umgang mit Wirklichkeit/en

Taucht in der Reise des Schamanen oder seines Patienten ein Bär, eine Schlange oder dergl. auf, so ist dies ein Bär oder eine Schlange. Über die Art der Wirklichkeit wird nicht verhandelt. In der Psychotherapie werden solche Phänomene meist als Symbole aufgefasst. („Wofür steht der Bär in ihrem Leben?“) Während also in der schamanischen Sitzung der Bär ein Bär bleibt, würden wir in der Gestalttherapie ähnlich damit arbeiten, wie bei Träumen, z.B. „Identifiziere sie sich mit deinem Bär. Lasse sie ihn sprechen, was sagt er?“

Stichwort: Energiefeld

Der Schamane schafft mit seinen Ritualen ein Energiefeld, dass nicht nur die Anwesenden miteinander verbindet sondern sich auch für kosmischen Kräfte öffnet.

In der  Psychotherapie ist dieses Feld meist auf die therapeutische Beziehung begrenzt.

Das schamanische Denken akzeptiert diese Begrenzung auf nur eine Bewusstseinsebene nicht. Es bezieht den kosmischen Reigen mit in das Heilungsgeschehen ein. Nur wenige westliche Therapieschulen überschreiten auch die Grenze zum Spirituellen, wie z.B. die analytische Psychologie C.G. Jungs oder die Psychosynthese. Auch in der Gestalttherapie gab es immer schon Ansätze zur Grenzüberschreitung. Hier waren es vor allem die Übernahme von Ideen aus dem Zen- Buddhismus (Hier u. Jetzt,  Bewusstheitskontinuum).

In unserem Arbeitskonzept benutzen wir oft das Reißverschlussmodell, d.h. wir pendeln zwischen dem therapeutischen und dem schamanischen Vorgehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dies nicht nur synergetisch wirkt sondern die Effektivität und Indikationsbreite der Therapie deutlich erhöht.
 

9. Psychotherapeutische Anwendung

In unserer therapeutischen Praxis beziehen wir die ekstatischen Trancehaltungen und andere schamanische Rituale gezielt mit ein.

Dabei fangen wir Psychotherapie normalerweise ganz konventionell mit einem Erstgespräch und diagnostischem Interview an, bauen eine tragfähige Beziehung auf usw. Der diagnostische Prozess ist in der Gestaltarbeit ständiger Begleiter des Therapieverlaufs. Beide stehen in einer permanenten Wechselbeziehung.

Kommen wir im weiteren Verlauf des therapeutischen Prozesses zu der Vermutung:

1. dass wir mit unseren psychotherapeutischen Methoden entweder nicht     mehr weiter  kommen  werden  oder einen langen, mühsamen Weg vor     uns haben.

2. die Art der Beschwerden für ekstatische Trancearbeit zugänglich ist

3. dass der Patient aufgrund hoher Motivation und Neugierde sich auf  das     neue Vorgehen einlassen wird,

setzen wir “rituelle Körperhaltungen und ekstatische Trance“ ein.

Bei solchen Reisen eröffnen sich oft ganz viele Facetten, die aber nicht alle gleich in den Vordergrund treten müssen.

Wir vermuten, dass die Verbindung von tiefster emotionaler Berührtheit und intensivem Ganzheitserleben (= frei von Begrenzung) einen starken heilenden Impuls erzeugen.

Immer wieder verweisen  Schilderungen von ekstatischen Tranceerlebnissen darauf, dass in den Reisen eine Art heilender Grundton entsteht, der sich mit jeder weiteren Tranceerfahrung im Organismus ausbreitet. In anderen Bewusstseinsbereichen kann wieder in Balance kommen was in der Alltagswelt in Disharmonie geraten ist.

Kurze Fallbeispiele dazu:

„Leicht und frei“ fühlte sich ein Mann, nachdem er als Wolke unter Wolken flog.

Es handelte sich um einen gehbehinderten, aus seiner Arbeit gemobbten, verbitterten Frührentner.

„Endlich sicher und geborgen“ fühlte sich eine Frau, nachdem in der Trance ihre Ahninnen einen Liebesreigen um sie getanzt hatten. Diese Frau war von Geburt an von ihrer Mutter abgelehnt worden und litt unter einem unstillbaren Hunger nach Liebesbeweisen, bei ihrem Mann, bei Arbeitskollegen und Freundinnen.

Man kann sich nun fragen, was sind die eigentlichen Unterschiede der Arbeit mit ekstatischer Trance gegenüber Psychotherapie?

Unseres Erachtens liegt der zentrale Unterschied nicht einmal sosehr in der Intensität des Erlebens allein sondern auch in der Intensität der Wirkungen des heilenden Grundtons. Dieses Verfahren berührt eine andere Ebene der Existenz, zu der wir moderne Menschen kaum noch Zugang haben.  Heilung geschieht im Kontext eines veränderten Welt- und Selbsterlebens für den unsere Begrifflichkeit an ihre Grenzen kommt, in der Sprache auch nicht mehr die Definitionsgewalt hat, ähnlich wie in den archaischen Kulturen. Es ist eine zugleich spirituelle und höchst irdische Welt, wie sie auch von Schamanen beschrieben wird. Insofern ist die ekstatische Trancearbeit zwar keine originäre schamanische Praxis wohl aber eine schamanisch inspirierte.

In der Arbeit mit ekstatischer Trance und anderen schamanischen Techniken kommt auch eine  Fülle an persönlichem Material  hoch.  Für die Bearbeitung des individuellen Selbst kann man sowohl über den therapeutischen Innenraum als auch über den Weg der ekstatischen Trance gehen. Auf der Wirkungsebene ist die Integration der beiden Heilverfahren nicht nur möglich sondern auch äußerst effektiv. Auch hier bewahrheitet sich: die Summe ist mehr als ihre Teile.

Verwendete Literatur:

Achterberg, Jeanne, 1987: Die heilende Kraft der Imagination: Gedanken, Vorstellungen und innere Bilder in der modernen Medizin. Methoden und Grundlagen einer neuen Heilkunst. München, Wilhelm Goldmann Verlag

dies., 1996: Rituale der Heilung: Die Kraft von Phantasiebildern im Gesundungsprozess. München, Wilhelm Goldmann Verlag

Emerson, V. F., 1976: “Can Belief Systems Influence Behavior? Some Implications of Research on Meditation”. Newsletter Review, The RM Bucke Memorial Society 5:20 –32

Fachner, Jörg, Rittner, Sabine, 2004: in  ,  Nauwald, N.,  Goodman F., 2004: Ekstatische Trance.  Havelte/ Holland, Binkey Kok Publications

Goodman, Felicitas D, 1972: Spieking in Tongues: A Cross-Cultural Study of Glossolalia. Chicago, The Universsity of Chicago Press

dies., 1989: Wo die Geister auf dem Wind reiten:  Trancereisen und ekstatische Erlebnisse.

Freiburg im Breisgau, Verlag Herman Bauer KG,

dies. , 1991: Ekstase, Besessenheit, Dämonen: Die geheimnisvolle Seite der Religionen.Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn

dies., 1992: Trance.  Der uralte Weg zum religiösen Erleben. Rituelle Körperhaltungen und ekstatische Erlebnisse. Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus

Goodman, Felicitas D., Nauwald, Nana, 1998:  Ekstatische Trance: Das Arbeitsbuch. BadBevensen, edition nada

Gore, Belinda, 1996: Ekstatische Körperhaltungen. Ein natürlicher Weg zur erweiterten Wirklichkeit., Essen, Synthesisi

Guttmann, Giselher, 1990: Zur Psychophysiologie der Bewusstseinssteuerung. In: Bradion Josef: Einheit der Vielfalt – Festschrift  zum 60. Geburtstag. Wien 1990

Harner, Michael, 1994: Der Weg des Schamanen. Ein praktischer Führer zur inneren Heilkraft. Kreuzlingen/ München,  Ariston Verlag

Narby Jeremy, 2001: Die kosmische Schlange: Auf den Pfaden der Schamanen zu den Ursprüngen modernen Wissens. Stuttgart, Klett-Cotta

Nauwald, Nana, Goodman, Felicitas D., & Freunde, 2004: Ekstatische Trance: Rituelle  Körperhaltungen und Ekstatische Trance. Havelte/Holland, Binkey Kok Publications

Perls, Fritz, 1973: Grundlagen der Gestalttherapie, München, Verlag J. Pfeiffer

Petzold, Hilarion G., 1993: Integrative Therapie: Modelle, Theorien und Methoden für eine schulenübergreifende Psychotherapie. Paderborn, Junfermann Verlag

Richter, Karin, 2002: Die  Bedeutung der Göttin  Tanit: Erforschung ihrer symbolischen Figurationen. Remscheid, unveröffentlichtes Referat.

Richter, Kurt F., 1997: Erzählweisen des Körpers: Kreative Gestaltarbeit in Therapie, Beratung,  Supervision und Gruppenarbeit.  Seelze-Velber, Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung,

Schmidt, Gunther, 2004: Liebesaffären zwischen Problem und Lösung: Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten, Heidelberg, Carl-Auer Verl.

Schneider, Kristine, 1990: Grenzerlebnisse.  Köln , Edition Humanistische Psychologie

Simonton, O. Carl, 1982: Wieder gesund werden. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag

ders., 1993: Auf dem Weg der Besserung: Schritte zur körperlichen und spirituellen Heilung, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag